Monday 1 December 2014

Fünf Fragen an Céline Duval


Als Du anfingst mit Fotografien und Postkarten zu arbeiten, wusstest Du da schon, dass Du daraus eine verlegerische Tätigkeit entwickeln würdest, dass das Deine künstlerische Praxis werden würde?

Ich habe 1997 angefangen, Bilder zu sammeln, Bilder von Flohmärkten und aus Zeitschriften. Dieses Konvolut wurde dann zum Ausgangsmaterial meiner Bücher. So eine Sammlung anzulegen, war eine Entscheidung, die ich schon während des Studiums an der Kunsthochschule in Nantes getroffen habe, bei dem ich mit verschiedenen Umgangsweisen mit der Fotografie experimentierte. Ich habe dann sehr bald gedacht, dass das Verlegen das geeignete Mittel sein würde, verschiedene Ikonografien zu zeigen. Damals wusste ich nicht so recht, wie ich das anstellen sollte und ich brauchte Zeit, um mit Hilfe der Bilder die Welt zu entdecken. Ich habe dann gemerkt, dass die Bilder, die von den Menschen gemacht werden, ihren Inhalt schon mitbringen. Es reicht, sie anzusehen und dann entsprechend zu kombinieren, der Schnitt ist das Entscheidende, wie im Kino.


Coeur, point et ligne sur plan, 2013


Kanntest Du zu diesem Zeitpunkt den Bilderatlas „Mnemosyne“ von Aby Warburg?

Ich hatte damals noch nie von Aby Warburg gehört. 2001 dann hat mich dann Pierre Leguillon auf Warburgs Projekt hingewiesen, dass in Frankreich Dank der Publikation von Philippe-Alain Michaud „Aby Warburg et l’image en mouvement“ zugänglich wurde. Er sagte, dass ich eine Erbin seiner Vorgehensweise wäre, aber damals habe ich die Tragweite seines Projektes noch nicht begriffen, vor allem was das für die Kunstgeschichte bedeutete. Ich fühlte mich der Arbeit von Hans-Peter Feldmann näher, mit dem ich damals auch zusammengearbeitet habe.


Du bist eine Bilderretterin, Du bietest Bildern  familiären Anschluss, stellst sie in formale Zusammenhänge, auch über „Generationen“ hinweg. Du entwickelst oft unerwartbare Typologien, mal sind die Bezüge sehr direkt, manchmal eher assoziativ. Deine Haltung zu den Bildern wirkt weniger enthüllend als empathisch. Wenn Du Stereotypen aufzeigst – selten auch Abgründe -, dann passiert das nicht in einer denunzierenden Weise, sondern eher in einer Geste der Zuneigung. Meistens verbreiten Deine Bilder gute Laune. Ist der Titel einer Deiner Publikationen „Reculer pour mieux aimer“(„Distanz gewinnen, um besser lieben zu können“) übertragbar auf Deine Arbeitsweise?

Das ist alles sehr subjektiv und der Blickwinkel verändert sich ständig. Mein Vorgehen könnte insgesamt eher mit „Distanz gewinnen um besser zu verstehen“ beschrieben werden. Ich glaube es ist genau andersherum als Du es sagst: Je mehr Abstand ich gewinne, desto deutlicher lege ich die Mechanismen der Schaulust frei, die uns beherrschen und desto mehr beginne ich die Bilder zu verachten. Ich glaube, dass diese Ambivalenz in der Videoserie "Les Allumeuses, 1998-2011" deutlich wird, in der die gedruckten Bilder aus Zeitschriften in ihrer Materialität verschwinden und nur der Schnitt der Bilder in ihrer Abfolge sichtbar bleibt, weil sie mit der Videokamera gefilmt wurden. Ich versuche in meiner Arbeit vor allem zu verstehen, warum es uns dazu drängt, so viele Bilder zu produzieren.

La Stratigraphie des images, 2014


Du hast angefangen, über Deine Publikationen hinaus, Ausstellungen zu machen und bedienst Dich dabei unterschiedlicher Präsentationsformen. Wirst Du weiterhin auf Papier arbeiten, Hefte und Bildsammlungen herausgeben?

Ja, ich habe übrigens seit September dieses Jahres drei neue Publikationen abgeschlossen und drei neue sind 2013 entstanden. Ich habe nur keine Zeit für Kommunikation und Vertrieb. Daher bin ich froh, dass ich in diesem Jahr bei „Friends with books“ in Berlin dabei sein kann. Das Papier bleibt mein bevorzugtes Medium, das Buch ist ein intimer Raum, mit dem die Hand einen unmittelbaren Kontakt herstellt. Es ist wichtig, dass wir nicht den direkten Kontakt zu unserem Körper verlieren.


Eine letzte Frage: Machen Dich die Bilder, die bisher nicht zu Dir gefunden haben  und die Tatsache, dass die Anzahl der Bilder, die produziert und verbreitet werden rasant zunimmt nervös?

Dieser morbide Drang, mit dem Smartphone alles festzuhalten ohne darüber nachzudenken - diese Welt der Bilder ist schwindelerregend und widert mich an. Ich kann selbst gar nicht mehr fotografieren. Ich habe, glaube ich, überhaupt keine Freude mehr an Bildern. Wir verlieren uns in dieser nicht enden wollenden Bilderflut, die nur das immer Gleiche mit sich bringt.





November 27, 2014
Isabel Podeschwa